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29.09.2010, 07:46    

Ungerecht und ökonomisch unsinnig

Die Regierung will das Geld für die Bankenrettungen bei den Armen zurückholen – ein gefährlicher Irrweg von Ulrike Herrmann
Umverteilung ist ein Tabuwort in Deutschland, das noch immer an den Sozialismus gemahnt. Dabei wird permanent umverteilt – bisher jedoch von unten nach oben. Die Reichen werden reicher und die Armen ärmer, während die Mittelschicht schrumpft. Denn seit dem Jahr 2000 ist ein historisch neuartiges Phänomen in der Bundesrepublik zu beobachten: Die Reallöhne der normalen Angestellten fallen nicht nur in der Krise, sondern selbst in Zeiten des Aufschwungs. Die Arbeitnehmer müssen sich bescheiden, während die Firmengewinne explodieren.
  Bankenaktionstag
Besitz und Kapitaleinkommen konzentrieren sich auf eine kleine Schicht: 2007 besaß das reichste eine Prozent der Bundesbürger bereits 23 Prozent des gesamten Vermögens in Deutschland. Die obersten fünf Prozent verfügten über 46 Prozent. Für die Mehrheit der Bevölkerung blieb da nicht mehr viel übrig. Die unteren 70 Prozent kamen noch nicht einmal auf neun Prozent vom Gesamtvermögen.
Die Finanzkrise verschärft diesen Prozess, der Reichtum bei wenigen konzentriert. Denn der Crash wurde zum doppelten Geschäft für die Wohlhabenden. Zum einen hat der Staat ihr Vermögen gerettet, indem er die Banken gestützt und Konjunkturpakete angeschoben hat. Zum anderen musste der Staat dafür Schulden aufnehmen – und diese Kredite werden ihm wiederum vor allem von den Wohlhabenden gewährt, die dafür Zinsen verlangen. Die Besitzenden lassen es sich also auch noch bezahlen, dass ihr Vermögen gesichert wurde.
Die Kosten der Rettung tragen hingegen die Armen. Bis 2014 will die Regierung 82 Milliarden Euro sparen. Das meiste sind Luftbuchungen, konkret wird es aber bei den Bedürftigen. Hartz-IV-Empfänger erhalten kein Elterngeld mehr, die Maßnahmen der Jobcenter sollen ebenfalls gekürzt werden. Und wer Wohngeld bekommt, muss künftig ohne Heizkostenzuschuss auskommen.
Die Bundesregierung ist nicht allein mit ihrem Sparkurs. Weltweit werden die Staatsbudgets zusammengestrichen, um die Kosten der Finanzkrise wieder hereinzuholen. Und überall zeigt sich das gleiche Muster: Die Reichen werden geschont, die Mittelschicht und die Armen belastet.
Diese Politik ist nicht nur ungerecht, sondern ökonomisch unsinnig. Wer einseitig die Reichen begünstigt, steuert in den nächsten Crash. Denn während sich die unteren Schichten einschränken müssen und weniger konsumieren, wissen die Privilegierten gar nicht mehr, wohin mit ihrem Geld. Sie stopfen ihr Kapital in Finanzanlagen und produzieren damit neue Blasen. Auch jetzt ist schon wieder zu beobachten, dass viele Anlageobjekte gefährlich überbewertet sind. Dies gilt vor allem für Aktien, Gold und Staatsanleihen.
Während die Vermögenspreise nach oben schießen, droht weltweit die nächste Rezession. In den USA ist die Gefahr eines Abschwungs bereits so akut, dass Präsident Obama ein zweites Konjunkturpaket auflegen will. Seine Maßnahmen sind kurzfristig richtig und langfristig doch meist falsch. Denn es wiederholt sich ein Muster, das schon in der ersten Runde der Konjunkturpakete zu besichtigen war – ob in Europa oder in Amerika. Weil die Zeit drängte und der Absturz drohte, wurden Ad-hoc-Pakete geschnürt. Staatliche Milliarden flossen in die bestehende, oft überalterte Industrie. Legendär ist etwa die deutsche „Abwrackprämie“, die sich nicht nach dem CO2-Ausstoß der Autos richtete. Sie war typisch für deutsche Politik: Der Staat steckte rund 100 Milliarden Euro in seine Konjunkturpakete, doch davon waren ganze 13 Prozent ökologisch sinnvoll. Und selbst diese mickrige Zahl schönt die Regierungspolitik noch, denn weitere acht Prozent der Maßnahmen waren ökologisch kontraproduktiv.
Die jetzige Politik weist drei Fehler auf: Sie päppelt die Reichen, spart bei den Armen und erzeugt Blasen auf den Vermögensmärkten. Umverteilung ist also nötig. Aber es reicht nicht, nur die Steuern auf Einkommen und Vermögen anzuheben. Man muss das Geld in eine nachhaltige Zukunft investieren. Deutschland wird neue Konjunkturpakete brauchen – aber eine Abwrackprämie sollte diesmal nicht dabei sein.
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  • 29.08.2010
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