29.09.2010, 07:46
Alternativen zum Kaputtsparen
Attac und Verdi plädieren für sozial gerechtes Steuersystem
Nachdem Bankenrettungen und Konjunktureinbrüche die öffentlichen Haushalte erheblich geschröpft haben, steht nun der Abbau von Staatsschulden ganz oben auf der politischen Agenda. Als Mittel dazu werden von den meisten EU-Regierungen – so auch von der Bundesregierung – rigide Sparprogramme und die damit verbundenen Einschnitte ins soziale Netz als alternativlos dargestellt.
Diese Einschätzung verwundert, wenn man sich vor Augen führt, dass dem Schuldenberg der öffentlichen Hand auf der anderen Seite ein enormer und in den Händen weniger hoch konzentrierter privater Reichtum gegenübersteht, der über die letzten zehn Jahre sogar erheblich gewachsen ist.
Von 1999 bis 2009 erhöhte sich das private Vermögen in Deutschland um 1100 Milliarden auf 6,6 Billionen Euro. Das oberste Zehntel der Bevölkerung besaß 2007 einen Anteil von 61 Prozent am Gesamtvermögen.
Was also würde näher liegen, als diese Vermögen zur Finanzierung der Krisenkosten und der dringend notwendigen öffentlichen Aufgaben heranzuziehen? Zumal die Vermögenden durch die Bankenrettungspakete mit Millarden aus Steuergeld vor größeren Verlusten bewahrt wurden.
Tatsächlich gibt es dazu längst eine Reihe von Konzepten, die aber von der Bundesregierung geflissentlich ignoriert werden. Attac und Verdi etwa haben ihre bereits vor einigen Jahren vorgestellte Solidarische Einfachsteuer unter dem Eindruck der Krise weiterentwickelt. Das Konzept umfasst sieben zentrale Punkte:
• Eine gerechte, progressive Einkommensteuer mit einem Spitzensteuersatz von 53 Prozent. Dazu müssen Schlupflöcher geschlossen und eine vollständige Erfassung und Besteuerung hoher Einkommen durch wirksame Kontrollen und Prüfungen gesichert werden.
• Eine Reichensteuer mit einem Höchstsatz von 56 Prozent ab einem Jahreseinkommen von 125.000 Euro. Das jährliche Aufkommen einer so reformierten Einkommensteuer würde um zirka vier Milliarden Euro pro Jahr höher ausfallen.
• Die Wiedererhebung der Vermögensteuer auf reformierter Grundlage. Bei einem Freibetrag von 500.000 Euro je Haushalt und einem Steuersatz von einem Prozent auf das den Freibetrag übersteigende Vermögen wird mit einem Aufkommen von 20 Milliarden Euro gerechnet.
• Zusätzlich zur Vermögenssteuer wird für Vermögen ab zwei Millionen Euro progressiv ein Solidaritätszuschlag von zwei bis fünf Prozent für eine Frist von mindestens fünf Jahren erhoben. Das würde mehrere Milliarden Euro jährliche Zusatzeinnahmen bringen.
• Erbschaftsteuer: Bei einer korrekten Erfassung aller Vermögensarten wäre der Gesamtwert des vererbten Vermögens doppelt so hoch wie vorher. Zusätzlich würden mehr Erbfälle steuerpflichtig werden. Die Einnahmen würden sich von heute vier auf acht Milliarden Euro verdoppeln. Durch Verstärkung der Progression und Schließung von Schlupflöchern (etwa bei Schenkungen) ließe sich das Aufkommen sogar auf zehn Milliarden steigern.
• Unternehmenssteuern: Finanzkräftige Unternehmen, die von den Regierungen Schröder und Merkel immer weiter entlastet wurden, sind durch eine Erhöhung der Körperschaftsteuer und eine Stärkung (statt Abschaffung) der Gewerbesteuer bei gleichzeitiger Verbreiterung der Bemessungsgrundlagen verstärkt heranzuziehen. Mehreinnahmen von etwa 20 Milliarden Euro sind realistisch.
• Eine Finanztransaktionsteuer würde die Spekulation auf den Finanzmärkten dämpfen und die Profiteure des Finanzcasinos an den Kosten der Krise beteiligen. Außerdem bliebe noch Geld für die Entwicklung der Länder des Südens. Ein Steuersatz von nur 0,1 Prozent würde weltweit rund 700 Mrd. US-Dollar jährlich erbringen, davon allein 320 Miliarden in Europa.
• Die Superreichen der Welt halten ungefähr 11,5 Billionen US-Dollar in Steueroasen. Damit hinterziehen sie den Finanzämtern jährlich Steuern in Höhe von zirka 250 Milliarden US-Dollar. 30 Milliarden Euro gehen Deutschland verloren. Ein automatischer Informationsaustausch zwischen den Steuerbehörden der Länder und von den Finanzinstituten zu den Steuerbehörden würde wirksam Steuervermeidung und -hinterziehung bekämpfen. Das zeigen die angekauften CDs aus den Schattenfinanzplätzen.
Alternativvorschläge zum Kaputtsparen gibt es also reichlich. Es fragt sich nur, warum sich die Bundesregierung so heftig dagegen sträubt, sie zur Kenntnis zu nehmen. Vielleicht sollte sie bedenken, dass internationale Umfragen immer wieder die Finnen als die glücklichsten Menschen der Welt identifizieren – und das, obwohl in kaum einem Land so hohe Steuern – besonders für Spitzenverdiener – zu zahlen sind.
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29.08.2010
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