29.09.2010, 07:46
Die Reise nach Richistan
Die Reichen werden immer reicher, die Löcher in den öffentlichen Haushalten tiefer und tiefer. Zufall? Mitnichten. Beides sind zwei Seiten ein und derselben Medaille.
Der sicherste aller Schuldner und damit der Traum aller Kreditgeber ist – nach wie vor – der Staat.
Dabei trägt der Schulden machende Staat kräftig bei zur Konzentration von privatem Reichtum. Indem er auf den privaten Finanzmärkten Kredite aufnimmt, verpfändet er einen Teil des Steueraufkommens an so genannte institutionelle Anleger wie Investmentbanken oder Aktienfonds. Diese aber sind nichts anderes als Frontorganisationen der Reichen, der Vermögenden, der „High Net Worth Individuals“ (HNWI).
Richistan
Für das imaginäre Land, in dem alle diese Gläubiger hausen, hat das Wall Street Journal den Namen „Richistan“ erfunden. In den Palästen Richistans leben weltweit – und man kann das nur global betrachten – 10.000 bis 20.000 Superreiche mit jeweils einem frei verfügbaren Vermögen von mehr als 500 Millionen Dollar, darunter rund 3000 Milliardäre mit Vermögen von bis zu 60 Milliarden Dollar. Diese Geldfürsten bilden zusammen mit den rund 100.000 Geldgrafen und Geldbaronen – mit Vermögen zwischen 30 Millionen und 500 Millionen – die Gruppe der „Ultra High Net Worth Individuals“ (UHNWIs). Hinzu kommen eine Million Angehörige des einfachen Geldadels – HNWIs – mit Vermögen zwischen fünf Millionen und 30 Millionen Dollar sowie rund 15 Millionen Personen des niederen Geldadels mit Vermögen zwischen einer Million und fünf Millionen Dollar. Fast alle sind nach der jüngsten Krise zumindest auf dem Papier wieder obenauf und reicher als zuvor. Wie kommt das?
Wem gehört die Bundesrepublik?
Bei uns haben diese Gläubiger inzwischen Staatsschuldscheine von über 1,6 Billionen (1600 Milliarden) Euro in der Hand. Damit fließen den Richistani allein in diesem Jahr etwa 66 Milliarden Euro an Zinszahlungen aus dem bundesdeutschen Haushalt zu. Nach dem Sozialbudget (147 Milliarden Euro) ist dies der zweitgrößte Ausgabenposten im Budget der Bundesregierung.
Die Identität dieser Gläubiger aber wird konsequent aus der öffentlichen Diskussion herausgehalten. Die Gläubiger des Staates verstecken sich hinter dem Bankgeheimnis. Sogar die bundesdeutsche Finanzagentur, die für den Bund die Kreditaufnahme regelt, kennt die Geldgeber nicht. Zwar sei das Interesse groß an der Frage „Wem gehört die Bundesrepublik?“, sagt einer ihrer Sprecher. Aber ihre Beantwortung scheitere an den Interessen derer, die die Papiere des Bundes erwerben.
Nun sind vermögende Staatsgläubiger – so sie überhaupt in Deutschland leben – ja angeblich auch große Steuerzahler. Es könnte also sein, dass sie mit den Staatsschuldzinsen nur ein wenig von dem zurückerhalten, was ihnen zuvor an Steuern abgeknöpft wurde. Doch weit gefehlt. Die von Vermögenden zu zahlenden Steuern sind in der Regel Erbschafts-, Grund-, Gewerbe-, Einkommens-, Körperschafts- und Kapitalertragssteuern. Mit dem Aufkommen aus diesen Steuern in Höhe von jährlich rund 65 Milliarden Euro könnten nach einer fiktiven Aufrechnung die jährlichen Staatsschuldzinsen von 66 Milliarden Euro knapp finanziert werden. Aber selbst dann bliebe es bei einem Nullsummenspiel; die Steuern des Geldadels in Deutschland trügen nicht das Geringste zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben bei.
Die andere Seite der Staatsverschuldung
Staatsverschuldung kann, sagen zumindest die Keynesianer unter den Ökonomen, eine Volkswirtschaft aber auch beflügeln. Insofern ist sie nicht von vornherein schlecht – vorausgesetzt, sie wird verbunden mit einer klugen Steuerpolitik, welche die Reichen und vor allem die Superreichen ordentlich zur Kasse bittet. Aber an einer solchen Eindämmung müheloser Gewinne sind die Bewohner Richistans selbstverständlich nicht interessiert.
Eine Staatsverschuldung mit Bereicherungseffekt für die Reichen dient – wie jegliche Geldumverteilung von unten nach oben – ja auch der Machtkonzentration. Den Herren und Damen von Richistan ist klar, dass Geldkapital in einer Verschuldungskrise wie in den 1930ern oder heute völlig wertlos werden könnte. Sie stellen sich ein auf kommende ökonomische und soziale Katastrophen, auf revolutionäre Unruhen. Mit ihrem flüchtigen Geld kaufen sie sich ein in Gated Communities und Sicherheitszonen. Durch Korruptionszahlungen schaffen sie sich Einfluss- und Abhängigkeitsnetze. Vor allem aber richten sie sich im Zusammenspiel mit staatlichen und politischen Strukturen auf „Kapitalschnitte“ und „Währungsreformen“ ein – aus denen, wie die Geschichte lehrt, die ganz Großen auf Kosten aller Kleineren immer gestärkt hervorgegangen sind.
„Der Krieg der Staaten geht, der Konflikt der Klassen kommt“, prognostiziert das strategische Militärinstitut des Britischen Verteidigungsministeriums für das Jahr 2030: Aufgerieben zwischen „wachsender sozialer Verelendung einerseits und dem schamlosen Leben der Superreichen andererseits“ könnten sich nicht nur die Unterschichten, sondern vor allem die „Leistungs- und Wissenseliten, die früher einmal Bildungsbürger und Facharbeiter genannt wurden“, zu einem schlagkräftigen Interessenverbund zusammentun. Diese „neue Klasse“ würde dann politisch für ihre eigenen grenzüberschreitenden Interessen gegen den Kapitalismus der Superreichen kämpfen.
Deshalb also müssen die Reichen immer reicher werden, deshalb rüstet Richistan auf. Und wie ist das in Deutschland? Merz, Schröder, Clement, Koch, Köhler und wie sie alle heißen – sie sind schon aufgesprungen auf diesen Zug.
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29.08.2010
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